An Fake News kommt man in jüngerer Zeit im öffentlichen Diskurs schwer vorbei. Diskussionsrunden in ganz Europa erörtern die Frage, wie man das Problem in den Griff bekommen kann; Forschungsprojekte versuchen, die Effekte von Fake News auf Politik und Gesellschaft zu bestimmen; Unternehmen wie Facebook sehen sich unter Druck, gegen Fake News vorzugehen.
Aber was sind überhaupt Fake News? Unsere These ist, dass es sich bei Fake News um Berichterstattungen handelt, die in zweierlei Hinsicht problematisch sind. Erstens sind sie entweder falsch oder irreführend. Und zweitens verfolgen ihre Verfasser entweder eine Täuschungsabsicht oder sie sind der Wahrheit gegenüber vollkommen gleichgültig. Fake News weisen also zwei entscheidende Mängel auf: sie zeichnen ein falsches Bild von der Wirklichkeit und werden von Menschen in die Welt gesetzt oder verbreitet, die es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen.
Das falsche Bild der Wirklichkeit
Häufig werden Fake News als eine bestimmte Art der Falschmeldung verstanden. Im Duden etwa ist zu lesen, Fake News seien in den Medien und im Internet, besonders in den Social Media, in manipulativer Absicht verbreitete Falschmeldungen.
Doch so eng die Verbindung zwischen Fake News und falscher Berichterstattung auch erscheint, nicht immer sind Fake News tatsächlich falsch. Häufig sind sie einfach irreführend: Eine wahre Information wird so ausgedrückt, dass über die reine – oft im wörtlichen Sinne wahre – Information hinaus falsche Informationen kommuniziert werden.
Fake News haben häufig diese Form. Ein gutes Beispiel ist eine Meldung des US-amerikanischen Online-Portals Breitbart aus dem Januar 2017. Nachdem es in der Silvesternacht auf einem Platz in Dortmund zu einem Tumult unter, wie die Ruhr-Nachrichten schreiben, überwiegend jungen Männern gekommen war, meldete Breitbart, der “Mob” habe “Deutschlands älteste Kirche in Brand gesetzt”.
Wahr ist, dass es einen Brand gegeben hatte. Eine Rakete war in ein Fangnetz eines Baugerüstes geflogen, das an der Kirche angebracht war, und hatte es in Brand gesetzt. Wie die Feuerwehr meldete, sei der Brand klein und leicht zu löschen gewesen.
In Anbetracht dieser Geschehnisse ist es demnach nicht falsch, dass die Gruppe die Kirche in Brand gesetzt hat. Dennoch, und das ist in unserem Zusammenhang der entscheidende Punkt, ist die Meldung hochgradig irreführend, denn es wird durch die Wortwahl allerlei Falsches kommuniziert. Es wird zum Beispiel kommuniziert, dass das Feuer mutwillig gelegt wurde, dass die Kirche selbst, und nicht nur ein Fangnetz, betroffen war und dass der Brand ein nennenswertes Ausmaß hatte. All das ist, wie wir wissen, falsch. Die Meldung zeichnet demnach ein falsches Bild von der Wirklichkeit, ohne eine tatsächlich falsche Behauptung aufzustellen.
Es wäre daher verkürzt, Fake News als Falschmeldungen zu charakterisieren. Auch wahre, aber irreführende Meldungen können Fake News sein. Was alle Fälle von Fake News verbindet, ist, dass ein falsches Bild der Wirklichkeit gezeichnet wird.
Es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen
Ebenfalls eine Verkürzung – und eine gefährliche noch dazu – wäre es allerdings, Fake News schlichtweg als falsche oder irreführende Berichterstattung zu charakterisieren. Hier ist der Duden auf der richtigen Fährte, wenn er die Täuschungsabsicht ins Spiel bringt, die Verfasser von Fake News häufig verfolgen.
Fiele die Täuschungsabsicht in der Definition einfach weg, wäre es nicht mehr möglich, Fake News von versehentlichen journalistischen Fehlern abzugrenzen. Diesen Unterschied zu markieren, ist aber von zentraler Bedeutung. Denn selbst im Falle fehlerhafter Berichte gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen der Berichterstattung seriöser Medien und Fake News. Der Unterschied besteht darin, dass seriöse Medien falsche oder irreführende Berichte nur versehentlich publizieren.
Die Verfasser von Fake News hingegen nehmen es mit der Wahrheit nicht so genau. Häufig ist ihr Ziel in der Tat, die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen und zu täuschen. Wenn Donald Trump behauptet, die Kriminalität in Deutschland sei in den letzten Jahren um 10% gestiegen, dann ist das nicht nur falsch, man muss auch davon ausgehen, dass Trump mit seiner Behauptung eine Täuschungsabsicht verfolgt. Häufig sind Fake News also schlichtweg Lügen.
Allerdings besteht, und hier stößt die Definition des Dudens an ihre Grenzen, nicht immer eine Täuschungsabsicht. Manchmal stehen die Verfasser von Fake News der Wahrheit oder Falschheit ihrer Behauptungen auch schlichtweg gleichgültig gegenüber. Der Philosoph Harry Frankfurt spricht in solchen Fällen von “Bullshit”. Absichtliche Täuschungen, so Frankfurt, erfordern eine Orientierung an der Wahrheit; schließlich will man ja bewusst etwas behaupten, das von der Wahrheit abweicht. Bullshit hingegen erfordere nichts dergleichen. Der Bullshitter interessiert sich nicht dafür, ob er die Realität korrekt wiedergibt oder nicht. Er stellt Behauptungen auf, um seine Ziele zu erreichen, egal, ob diese Behauptungen wahr oder falsch sind.
Im Bereich von Fake News spielt Bullshit eine zentrale Rolle. Die wahrscheinlich prominentesten Bullshitter im Fake News-Geschäft sind die in den Medien breit verhandelten mazedonischen Teenager, die 2016 mit der Herstellung falscher und irreführender Meldungen Zehntausende Dollar verdienten. Aus Interviews mit diesen Teenagern wissen wir, dass ihr primäres Ziel nicht war, Menschen zu täuschen. Ganz im Gegenteil: Die Wahrheit oder Falschheit ihrer Meldungen war ihnen vollkommen egal. Ihnen ging es einzig und allein darum, größtmögliche Klickzahlen zu generieren – ein klarer Fall von Bullshit.
Eine Definition von Fake News
Was also sind Fake News? Die Definition, die wir eingangs vorgestellt haben, lässt sich in einem Satz zusammenfassen:
Fake News sind Berichterstattungen, die entweder falsch oder irreführend sind, und von Menschen verbreitet werden, die entweder eine Täuschungsabsicht verfolgen oder der Wahrheit gegenüber gleichgültig sind.
Dieser Beitrag ist auch auf dem Blog von philosophie.ch erschienen. Mehr Hintergund zum Begriff der Fake News und ihrer Verbreitung in den sozialen Medien durch politische und kommerzielle Akteure gibt es in unserem neuen Buch „Die Wahrheit schafft sich ab. Wie Fake News Politik machen“ bei Reclam.