Konstruktiv streiten in der digitalen Öffentlichkeit

Weltweit, so wird in letzter Zeit immer wieder diagnostiziert, steckt die Demokratie in einer Krise – und ohne Zweifel gibt es derzeit viele Herausforderungen, die demokratische Gesellschaften auf der ganzen Welt unter Druck setzen (Dryzek et al. 2019). Dabei wird oft eine fehlende oder mangelhafte Debatten- und Streitkultur als grundlegendes Problem gesehen; einerseits scheint die Teilnahme an der öffentlichen Debatte unzureichend inklusiv und andererseits ihre deliberative Qualität ausgesprochen dürftig zu sein. Es ist eine nahezu unkontroverse Annahme, dass eine – hinreichend partizipative und deliberative – öffentliche Debatte notwendig für eine funktionierende Demokratie ist (Fishkin 2009; Gutmann und Thompson 2004; Cohen 1997). In den letzten Jahren hat sich angesichts des Anstiegs von Populismus, Desinformation und Hassrede in der zunehmend digitalen Öffentlichkeit die Einsicht durchgesetzt, dass öffentlicher Streit in einer Demokratie kein Selbstläufer ist und konstruktiver verlaufen muss, will man ihr aus der Krise helfen.

Doch was heißt es eigentlich zu streiten? Streit kann man verstehen als eine verbale (schriftliche oder mündliche) Auseinandersetzung zu einer bestimmten Frage zwischen mindestens zwei Parteien, die prima facie inkompatible Antworten darauf haben. Dabei kann zwischen Auseinandersetzungen über Tatsachenfragen und Auseinandersetzungen über Wertfragen unterschieden werden. Ersteres ist ein Streit darüber, was (deskriptiv) der Fall ist, während Letzteres ein Streit darüber ist, was (normativ) gut oder schlecht bzw. was verboten, erlaubt oder geboten ist. In beiden Fällen werden Meinungen ausgetauscht und in beiden Fällen kann der Auseinandersetzung ein Interessenskonflikt zugrunde liegen, bei dem es letztlich darum geht, welche Interessen bei einer Entscheidung welches Gewicht haben sollen (Coleman und Ferguson 2015). Worin besteht nun die Qualität von Streit in der digitalen Öffentlichkeit? Was macht einen Streit konstruktiv? Diese Frage kann nur beantworten, wem die Ziele, die wir in einem Streitgespräch verfolgen (sollten), hinreichend klar sind. Dies soll in Abschnitt (1) untersucht werden, um dann in Abschnitt (2) allgemeine Kriterien für konstruktiven Streit zu formulieren, in Abschnitt (3) häufige Hindernisse für konstruktives Streiten zu diskutieren und abschließend in Abschnitt (4) einige Besonderheiten des Streits in der digitalen Öffentlichkeit herauszuarbeiten.

1 Ziele von Streit

Warum also streiten wir? Schauen wir uns zunächst einige Ziele an, die Menschen im Allgemeinen häufig durch Streit tatsächlich verfolgen. Erstens – und vielleicht in den meisten Fällen – wollen Menschen eine Auseinandersetzung schlicht gewinnen. Das heißt, sie wollen rhetorisch als Sieger aus ihr hervorgehen; sie wollen den Streit souverän hinter sich lassen. Dieses Ziel wird vermutlich in vielen Talkshows, aber auch oft in Diskussionen auf sozialen Medien verfolgt. Dabei geht es in erster Linie um den Eindruck, den man durch den Streit auf das Gegenüber oder auf Dritte macht – beispielsweise indem man sich auf die richtige Seite stellt und eine bestimmte Position markiert.

Zweitens streiten wir oft, um Andere zu überreden. Wir wollen unsere Interessen durchsetzen oder unsere Meinung als akzeptiert verstanden wissen. Manchmal geht es schlicht darum, in einer bestimmten Situation den längeren Atem zu beweisen – etwa um in einer Parlamentsdebatte das letzte Wort zu haben oder in einer Verhandlung das beste Ergebnis herauszuholen, ungeachtet der Interessen und Überzeugungen des Gegenübers.

Drittens wollen wir die Anderen in einigen Fällen nicht einfach überreden, sondern es ist uns zudem wichtig, sie auch faktisch zu überzeugen. Die Anderen sollen nach dem Streit unsere Meinung teilen und einsehen, dass wir recht haben. Nicht zu selten wird Streit sogar mit dieser Zielsetzung charakterisiert; es gehe bei einem Streit wesentlich darum, das Gegenüber zu überzeugen (van Eemeren und Grootendorst 2010; Johnson 2000; Hamblin 1970).

Diese drei Ziele sind bisweilen (insbesondere aus der jeweiligen individuellen Perspektive) durchaus erstrebenswert – und mit ihnen gehen wir intuitiv in einen Streit, wenn wir uns nicht bewusst ein Ziel setzen. Sie sind eng verbunden mit einer zentralen Funktion des Argumentierens; nämlich der Rechtfertigung von Überzeugungen, Handlungen oder Verhaltensweisen gegenüber unseren Mitmenschen (Mercier und Sperber 2017; Mercier und Landemore 2012; van Eemeren und Grootendorst 2010; Toulmin 2003, S. 12). Dabei führen sie jedoch allzu oft nicht nur nicht zu den von den Einzelnen erhofften Ergebnissen, sondern sind auch aus gesellschaftlicher Sicht wenig sinnvoll (Talisse und Aikin 2014, S. 38–56). Wenn sie richtig geführt werden, haben kontroverse verbale Auseinandersetzungen nämlich eine Reihe von Funktionen, die auch aus epistemischen und damit deliberativ-demokratischen Gesichtspunkten sinnvoll sind.

Denn viertens können wir durch Streitgespräche das Gegenüber besser verstehen, weil wir seine Position in einer bestimmten Frage kennenlernen und die Gründe dafür erfahren. Dies dürfte – so die Hoffnung – auch zu mehr Offenheit und Toleranz führen (Mutz 2006, S. 84-87). Zugleich ist eine grundsätzliche Offenheit notwendig, damit diese Funktion überhaupt erkannt, als Ziel gesetzt und dann erfolgreich in Streitgesprächen verfolgt wird.

Fünftens können wir etwas über die zur Diskussion stehende Sache erfahren, indem wir neue Positionen kennenlernen und die Gründe, die dafür sprechen (Talisse und Aikin 2014, S. 3-16). Dies kann uns selbst dann helfen, die Welt besser zu verstehen, wenn die kennengelernten Positionen letztlich nicht zutreffen oder die dafür vorgebrachten Gründe nicht stichhaltig sind.

Sechstens können Streitgespräche dazu beitragen, die Kohärenz im eigenen Überzeugungssystem zu erhöhen, indem durch den Austausch von Argumenten die inferenziellen Beziehungen zwischen verschiedenen Überzeugungen ans Tageslicht gefördert werden (Betz 2013). Wir lernen Gegengründe gegen unsere eigene Position kennen und haben die Möglichkeit, unsere Überzeugungen in ihrem Licht anzupassen, zu differenzieren und zu präzisieren.

Siebentens stärken diese drei Punkte die eigene Autonomie, da erst durch das reflektierende und systematische Abwägen von Argumenten die eigenen Meinungen zu begründeten Urteilen werden. Erst wenn wir andere Menschen, die Welt und uns selbst hinreichend verstehen und Gründe für unsere Überzeugungen nennen können, können wir uns intellektuell (und damit auch politisch) emanzipieren (Habermas 2011b, S. 573). Erst dann – durch Reflexion und Begründung – werden unsere Meinungen zu unseren eigenen Überzeugungen.

Aus diesen vier – im engeren Sinn epistemischen – Zielen ergeben sich nun drei weitere Ziele, die praktischer Natur sind, aber zugleich von deliberativ-demokratischer Relevanz. So kann nämlich achtens ein Streitgespräch dazu beitragen, einen Konsens oder zumindest einen Kompromiss in einem Konflikt zu erzielen, der andernfalls nicht-verbal und nicht-rational ausgetragen werden müsste. Wenn wir die Interessen und Meinungen des Gegenübers sowie die Gründe, die es dafür hat, erfahren, können wir eher eine Lösung finden, die für alle Betroffenen tragbar ist oder sogar von ihnen befürwortet wird (Gilbert 2008; Thompson 1991).

Neuntens kann – selbst in Fällen, in denen weder Konsens oder Kompromiss gefunden wird – ein Streitgespräch dabei helfen, Entscheidungen zu verbessern, weil wir besser über die Anderen und die Sache Bescheid wissen. Die Hoffnung ist, dass durch die epistemischen Funktionen des Streits am Ende Entscheidungen ermöglicht werden, die für die Mehrheit der Betroffenen positive Konsequenzen haben (Landemore und Estlund 2018; Landemore 2014; Talisse und Aikin 2014, S. 17-37).

Zehntens kann ein Streitgespräch schließlich dazu beitragen, eine Entscheidung zu legitimieren, selbst wenn sie weder objektiv besonders gut ist, noch subjektiv auf besonders hohe Zustimmung trifft, aber durch das Artikulieren von Meinungen, Benennen von Interessen und den Austausch von Argumenten allen Betroffenen die Möglichkeit gibt, ihrer Stimme Gehör zu verschaffen (Richardson 2002, S. 23-36; Cohen 1997).

Neben diesen zehn Funktionen gibt es viele weitere Ziele, die Menschen durch Streitgespräche verfolgen. Vielleicht wollen sie Andere demütigen, vielleicht wollen sie von etwas ablenken, vielleicht wollen sie sich einfach nur unterhalten. In diesem Beitrag werde ich mich jedoch auf die hier genannten – direkt oder indirekt epistemischen – Funktionen von Streit konzentrieren.

2 Kriterien für konstruktiven Streit

Streit hat einen schlechten Ruf. Gemeinhin halten wir ihn für etwas Schlechtes und wenig Erstrebenswertes. Das liegt unter anderem daran, dass entweder die falschen Ziele damit verfolgt oder die erhofften Ziele nicht erfüllt werden. Wann also hat ein Streit die Aussicht, seine Funktion zu erfüllen? Wann dürfen wir hoffen, durch einen Streit eines oder mehr der obigen Ziele erreichen?

Ein hilfreicher Ausgangspunkt zur Beantwortung dieser Frage ist der Discourse Quality Index (DQI), der in den Politikwissenschaften unter anderem von Steenbergen et al. (2003) entwickelt wurde. Er umfasst vier Dimensionen; nämlich die Partizipation der Teilnehmenden, den gegenseitigen Respekt, das Erreichen eines gemeinsamen Konsenses als Ziel der Diskussion sowie den Grad und Inhalt der gegebenen Rechtfertigungen.

Schauen wir uns zuerst die Partizipation der Teilnehmenden an. Mit Blick auf die Legitimität der aus einer Debatte resultierenden Entscheidungen ist eine repräsentative Teilnahme aller Betroffenen zweifelsohne wichtig. Aber auch aus rein epistemischen Gesichtspunkten ist es naheliegend, eine hohe Teilnahme anzustreben – etwa wenn diese (im Sinn eines Mill‘schen Liberalismus) mit einer Pluralisierung des Diskurses einhergeht. Allerdings muss dies nicht der Fall sein. Wie Mutz (2006) gezeigt hat, stehen hohe Partizipation, deliberative Qualität und Meinungspluralismus in einem strukturellen Spannungsverhältnis. Debatten homogener Gruppen haben tendenziell eine höhere deliberative Qualität und gruppeninterne Partizipation als Debatten heterogener Gruppen. In manchen Fällen kann eine Diskussion daher bessere Argumente und Einsichten hervorbringen, wenn nicht möglichst viele Parteien zu Wort kommen; zum Beispiel, wenn durch die Heterogenität einer Gruppe keine hinreichende Diskussionsgrundlage besteht, wenn durch die schiere Häufung von Meinungsäußerungen eine sachliche und gründebasierte Diskussion verhindert wird, oder wenn die Aufmerksamkeitsökonomie einer pluralen Öffentlichkeit bestimmte Parteien strukturell benachteiligt. Aus epistemischer Sicht ist zentral, dass alle relevanten Positionen und Gründe berücksichtigt werden – und nicht unter den Tisch fallen, weil sie zufällig niemand der Gesprächsparteien teilt. Daher sind konstruktive Debatten in der Regel inklusiv, indem sie möglichst vielen Betroffenen zu partizipieren ermöglichen.

Zudem beinhaltet der DQI als zweite Dimension den Respekt zwischen den Teilnehmenden, der sich im besten Fall in der Sachlichkeit der Redebeiträge niederschlägt. Eine wichtige Unterscheidung hier ist die zwischen dem Gegenüber als Person, ihren Überzeugungen und ihren Äußerungen. Respekt gebührt in jedem Fall der Person, unabhängig davon, was sie (vermeintlich) denkt. Aber oft ist auch gar nicht so unmittelbar ersichtlich, welche Überzeugungen sie tatsächlich hat. Die Äußerungen einer Person können immer auf verschiedene Weise interpretiert werden – und viel häufiger, als man das vermutet, entstehen (ungewollte) Strohmänner und andere Missverständnisse, welche die Qualität der Diskussion beeinträchtigen und verhindern, dass man mit ihr neue Erkenntnisse über das Gegenüber oder die Sache erlangt.

Damit ein Streitgespräch konstruktiv verläuft, bedarf es daher epistemischer Tugenden wie zum Beispiel eine grundsätzlichen Wahrheitsverbundenheit und einer Wertschätzung von auch gegenläufigen Gründen. Die wichtigste dieser Tugenden ist eine Haltung, die durch das Prinzip des interpretativen Wohlwollens ausgedrückt werden kann: Wir sollten die Thesen und Argumente von Anderen – in dem durch Wortlaut und Kontext möglichen Rahmen – stets so plausibel wie möglich interpretieren. Die Akzeptanz und Anwendung dieses Prinzips bildet das Fundament konstruktiver Streitkultur. Es setzt nämlich voraus, dass man einander zuhört und die Thesen und Argumente des Gegenübers grundsätzlich ernst nimmt.

Respekt bedeutet in diesem Zusammenhang also nicht die Anerkennung von Autoritäten oder gar die Anwendung irgendwelcher Höflichkeitsfloskeln, sondern, dass auf die Äußerungen der Anderen sachlich eingegangen wird. Ein Redebeitrag ist sachlich, wenn er deskriptive und normative Aussagen differenziert und auf irrelevante Wertungen (insbesondere der anderer Gesprächsteilnehmender) verzichtet. Der Ausdruck von Emotionen ist also durchaus mit dem Kriterium der Sachlichkeit vereinbar, das in erster Linie diskriminierende Sprechhandlungen, Beleidigungen und andere verbale Angriffe auf Personen ausschließt; es setzt lediglich die grundlegenden Rahmenbedingungen für konstruktiven Streit.

Der DQI beinhaltet ferner das Erreichen eines gemeinsamen Konsenses als Ziel. Nun ist nahezu unstrittig, dass es nicht immer sinnvoll ist, in einer Debatte eine Konsens anzustreben – und so erläutern Steenbergen et al. (2003), dass sich diese Zielsetzung auch durch alternative oder vermittelnde Vorschläge zeigen kann. Meist ist es schlicht unrealistisch, einen Konsens zu erreichen. Zudem kann, gerade wenn nicht unmittelbar Entscheidungen getroffen werden müssen, eine andere Zielsetzung sinnvoller sein. Wichtiger als eine fixe Konsensorientierung ist es, dass überhaupt konkrete, realistische und begründbare Ziele gesetzt werden, bevor ein Streitgespräch beginnt.

Die Qualität einer Diskussion hängt also entscheidend von einer sinnvollen und der Situation angebrachten Zielsetzung ab. Dies ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass Menschen Haltungen in Streitgesprächen in Abhängigkeit zu ihren bewusst oder unbewusst gesteckten Zielen einnehmen. Wenn sie nun eine der drei erst genannten Ziele (Gewinnen, Überreden oder Überzeugen) verfolgen, nehmen sie tendenziell eher eine Kampf-Flucht-Haltung ein, die eine konstruktiven Austausch schwierig macht. Wenn sie jedoch eines der sieben (direkt oder indirekt) epistemischen Ziele verfolgen, fällt es leichter eine partizipativ-inklusive und respektvoll-sachliche Diskussion zu führen. In Abhängigkeit zu den Zielen lassen sich neben der Inklusivität und Sachlichkeit noch drei weitere Kriterien ableiten, welche die Qualität von Diskussionen ausmachen und die leichter erfüllt werden, wenn wir eine den Zielen angemessene Haltung einnehmen. So ist für einen konstruktiven Streit zudem eine hinreichende Präzision, Relevanz und Gründebasiertheit der Redebeiträge ausschlaggebend.

Ein Redebeitrag ist präzise, wenn Mehrdeutigkeiten und andere Formen der Unbestimmtheit vermieden sowie Thesen als solche klar benannt und von anderen (verwechselbaren) Thesen differenziert werden. Dafür bedarf es unter anderem einer konsistenten Verwendung geeigneter Begrifflichkeiten. Leider ist in vielen Debatten schon das Thema nicht hinreichend bestimmt, so dass Gesprächsparteien schlicht aneinander vorbeireden und Argumente (als Strohmänner) ins Leere gehen.

Ein Redebeitrag ist relevant, wenn er sich hinreichend auf das Thema und die Beiträge der Anderen bezieht. Dafür müssen die Teilnehmenden unter anderem ausreichend informiert sein, aber auch über eine Reihe von kommunikativen und epistemischen Kompetenzen und insbesondere über eine Haltung interpretativen Wohlwollens verfügen.

Was heißt es nun, dass ein Redebeitrag hinreichend gründebasiert ist? Dies betrifft die vierte Dimension des DQI und damit den Grad und Inhalt der gegebenenRechtfertigungen für die vertretenen Thesen. Dazu müssen in Kontroversen nicht nur Meinungen, sondern auch Argumente tatsächlich ausgetauscht werden. Es muss den Teilnehmenden möglich sein, sich auf der Grundlage der Sichtung und Bewertung der Argumente ein Urteil zu bilden  Dazu bedarf es der Gelegenheit einer hinreichenden Sammlung der relevanten Gründe und einer etwaigen Entkräftung von Argumenten. Zentral für die Qualität einer Diskussion ist daher nicht nur der Grad und Inhalt, sondern insbesondere auch die Güte der gegebenen Rechtfertigungen.

Um Rechtfertigungen beurteilen und gute Rechtfertigungen hervorbringen zu können, bedarf es Argumentationskompetenz. Argumentationskompetenz beruht auf dem (mindestens impliziten) Wissen, was ein Argument ist und was es bedeutet, dass Annahmen (die Prämissen) eine These (die Konklusion) begründen. Zugleich umfasst sie praktische Fähigkeiten – unter anderem, wie man einzelne Argumente und ganze Argumentationen erkennt, versteht, bewertet und selbst hervorbringt (Lanius 2022, S. 9). Dazu ist es insbesondere wichtig, (1) zwischen deduktiven und nicht-deduktiven Argumenten unterscheiden zu können, (2) ein Verständnis davon zu haben, was deduktive Gültigkeit und induktive Stärke ist, und schließlich (3) implizite Prämissen in Argumenten ergänzen zu können. Der Vermittlung und Anwendung dieser Fähigkeiten ist ein präzises argumentationstheoretisches Vokabular dienlich, wie es in der modernen Argumentationstheorie entwickelt worden ist (siehe etwa Bowell und Kemp 2009; Betz 2010; Bayer 2011; Feldman 2014; Löwenstein 2022). Dies ist hilfreich, aber nicht notwendig – all diese Fähigkeiten können auch unbewusst, unreflektiert und ohne das entsprechende Vokabular erworben und erfolgreich eingesetzt werden. Beachtenswert ist allerdings, dass den meisten Menschen diese Fähigkeiten nicht in die Wiege gelegt sind – was uns nun zu der Diskussion möglicher Hindernisse für einen konstruktiven Streit im nächsten Abschnitt führt.

3 Häufige Hindernisse für konstruktiven Streit

Die Hoffnung, dass eine Debatte allein durch ihre Freiheit ihre epistemischen und deliberativ-demokratischen Funktionen erfüllt, wie dies noch John Stuart Mill hoffte, hat sich etwas gemindert. Tatsächlich verlaufen viele private wie öffentliche Streitgespräche, gerade wenn sie frei geführt werden, nicht besonders konstruktiv. Dafür gibt es verschiedene Gründe. An dieser Stelle sollen lediglich einige – vielleicht besonders häufige und ernstzunehmende – Hindernisse aufgeführt und kurz diskutiert werden.

Beginnen wir mit den Zielen der Teilnehmenden eines Streitgesprächs; so erwächst aus einer ungünstigen oder fehlenden Zielsetzung leicht eine Haltung, die mit einem Mangel an intellektuellen oder kommunikativen Tugenden einhergeht. Dies kann sich in Dogmatismus und Rechthaberei auf der einen Seite und Relativismus und Subjektivismus auf der anderen Seite äußern. Wenn wir gewinnen wollen oder Andere nur zu überreden oder zu überzeugen beabsichtigen, reagieren wir schnell dogmatisch und rechthaberisch, was leicht dazu führt, dass die Positionen und Argumente der Anderen nicht hinreichend wohlwollend diskutiert und beurteilt werden. Dies wiederum macht die Beiträge in Diskussionen im Schnitt weniger sachlich, präzise und relevant.

Manchmal verkehrt sich jedoch auch eine Zielsetzung, die nur das Verstehen des Gegenübers im Blick hat, in ihr Gegenteil, wenn dadurch eine relativistisch-subjektivistische Haltung eingenommen wird. So vermeiden einige Menschen jeden Konflikt, indem sie alle Positionen als gleichwertig und gleich gut begründet ansehen oder allein daraus, dass jemand eine bestimmte Meinung vertritt, folgern, dass diese Meinung hinreichend begründet ist. Das zeigt sich dann in Äußerungen wie „Das mag wahr für dich sein, ist aber nicht wahr für mich.“, „Ich habe meine Meinung und jeder kann für wahr halten, was er will.“, „Wir können gar nicht wissen, was wahr oder falsch ist.“ oder „Es gibt keine Wahrheit.“ – Äußerungen, welche die Diskussion insgesamt weniger gründebasiert machen. Um einer solchen relativistisch-subjektivistische Haltung entgegenzutreten, bedarf es eines reflektierten Wissensbegriffs und der Erkenntnis, dass intersubjektive Kriterien für konstruktiven Streit möglich sind (Lanius 2021, S. 199f.).

Doch selbst, wenn eine den Zielen und der Situation angemessene Haltung eingenommen wird, schützt uns dies leider nicht vor unkonstruktiven Diskursen, da wir uns im Denken und Streiten allgemein auf schnelle, aber fehleranfällige Heuristiken stützen und dabei kognitiven Verzerrungen unterliegen. Oft versteifen wir uns in Streitgesprächen auf den erst genannten Lösungsvorschlag, der dann als Anker fungiert („anchoring“) und meist nur widerwillig korrigiert wird (Kahneman 2013, 119–128; Tversky und Kahneman 1974). Damit verbunden ist der Verfügbarkeitsbias („availability bias“); eine kognitive Verzerrung, die uns dazu verleitet, Optionen entsprechend ihrer kognitiven Präsenz und nicht nach ihrer Relevanz auszuwählen (Kahneman 2013, 129–145; Tversky und Kahneman 1973). Die weitverbreitetste kognitive Verzerrung aber ist sicherlich der Bestätigungsfehler („confirmation bias“), der auch für Streitgespräche eine zentrale Bedeutung hat. Im Allgemeinen nehmen wir Informationen bevorzugt wahr, die unsere eigene Auffassung stützen, und tendieren dazu, alternative Positionen, Einwände oder andere gegenläufige Informationen zu verdrängen oder nicht zu beachten; wir interpretieren unsere eigenen Überzeugungen und Interessen bestätigende Informationen grundsätzlich positiver, suchen eher nach ihnen und erinnern sie leichter (Oswald und Grosjean 2005; Nickerson 1998). Dies führt in Streitgesprächen dazu, dass wir das Gegenüber leicht missverstehen, Strohmänner aufbauen sowie unpräzise und irrelevante Redebeiträge liefern. Dies wird verstärkt durch eine allgemeine Tendenz, die eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten zu überschätzen („overconfidence bias“) (Moore und Healy 2008; Pallier et al. 2002) – was sich in Streitgesprächen besonders in der Überschätzung der eigenen Argumentationskompetenz zeigt. Ein Faktor, der in Streitgesprächen ebenfalls nicht selten zu einem Problem wird, ist die Abhängigkeit der Urteils- und Entscheidungsfindung von der sprachlichen und emotionalen Rahmung des Themas („framing“) (Tversky und Kahneman 1981). Dabei gibt allein die Formulierung einer Frage in der Regel inhaltliche Grenzen einer Diskussion vor, in welcher relevante Positionen oder Argumente dann nicht mehr berücksichtigt werden. Dies wirkt sich gerade auch auf öffentliche Debatten aus, in denen Framing als politische Strategie eingesetzt wird (Wehling 2016; Wehling und Lakoff 2014).

Diese Heuristiken und kognitive Verzerrungen zeichnen unserer individuelles Denken aus und können in Debatten abgemildert, durch bestimmte Faktoren aber auch verstärkt werden. Streitgespräche haben in aller Regel Nutzungsfunktionen, für die weder Verstehen noch Wahrheitsfindung eine Rolle spielen. Meist steht die soziale Interaktion im Fokus; wir handeln Beziehungen, Hierarchien und Verantwortlichkeiten aus. Es geht primär um Vertrauen und Zugehörigkeit. Daher entscheiden die sozialen Rollen der Teilnehmenden, der Ort und das Publikum ebenfalls darüber, ob konstruktiver Streit gelingt. Ob man das Gegenüber mit den eigenen Worten erreicht, hängt wesentlich von dem Vertrauen ab, das zwischen den Gesprächsparteien besteht (Boghossian und Lindsay 2019, S. 14–19; McIntyre 2021, S. 139–162). Wenn kein oder zu wenig Vertrauen vorhanden ist, werden die Äußerungen der Anderen nicht wohlwollend interpretiert, so dass Missverständnisse entstehen und die epistemischen Ziele vereitelt werden – ganz zu schweigen davon, dass man das Gegenüber von irgendetwas überzeugen würde. Allerdings kommt Vertrauen in Graden und für konstruktiven Streit bedarf es lediglich eines minimalen Vertrauens, das darin besteht, dem Gegenüber keine strategisches Handeln (im Sinn Habermas‘ 2011a, S. 385) zu unterstellen, sondern davon auszugehen, dass es sich bei seinen Äußerungen um Akte der Verständigung handelt.

Dies ist allerdings aufgrund unserer sozialen und insbesondere tribalistischen Natur vor einem (manchmal auch nur imaginiertem) Publikum nicht immer einfach; schnell verfallen wir in strategisches Handeln, das primär auf die Wirkung abzielt, die sie auf dritte Parteien hat. In Talk-Shows etwa diskutieren die Teilnehmenden in der Regel weniger miteinander, als dass vielmehr eine Diskussion für die Zuschauer(innen) inszeniert wird. Die vorgebrachten Argumente dienen dann nicht der Überzeugung, Verständigung oder des Erkenntnisgewinns, sondern in erster Linie als Signale an die jeweiligen Zielgruppen, dass man ihre Meinungen und Interessen vertritt.

Zugleich gibt es Informationsübertragungsprozesse und -strukturen, welche die Aufmerksamkeit der Teilnehmenden strukturell ablenken oder reduzieren. Sie wird durch unsere Heuristiken und kognitive Verzerrungen, aber insbesondere auch durch die Eigenheiten der politischen und medialen Kommunikation oft so gelenkt, dass Moralisierungen, Strohmänner und Whataboutism befördert und relevante, präzise und gründebasierte Redebeiträge aus der Debatte verdrängt werden. Beachtenswert ist insbesondere, wenn Wertfragen zu Tatsachenfragen gemacht werden – wenn man zum Beispiel nicht riskieren will, moralische Normen öffentlich in Zweifel zu ziehen, und lieber leugnet, dass etwa der Klimawandel menschengemacht ist (statt zuzugeben, dass man die Folgen des Klimawandels für andere Menschen für unerheblich hält). Oder aber es werden Tatsachenfragen zu Wertfragen gemacht – wenn man zum Beispiel bestimmte Tatsachen nicht (mehr) leugnen kann und dafür den Diskurs auf eine Meta-Ebene verschiebt, indem man etwa klimaaktivistische Aktionen moralisch verurteilt (statt womöglich unpopuläre Maßnahmen gegen den Klimawandel zu diskutieren). In beiden Fällen wird vom eigentlichen Thema abgelenkt (Kumkar 2022, 111–175).

Zudem werden diese Informationsübertragungsprozesse maßgeblich von initialen Entwicklungen bestimmt. Informations- und Konformitätskaskaden führen dazu, dass letztlich Positionen akzeptiert werden, für die es sachlich gar keine guten Gründe gibt (Sunstein 2002, 2009, 2014). Das ist in wenig partizipativ-inklusiven Debatten homogener Gruppen besonders wahrscheinlich, in denen andere Positionen und Gegengründe nahezu vollständig ausgeblendet werden können, was die Bildung von epistemischen Blasen und Echokammern begünstigt (Nguyen 2018; Jaster und Lanius 2019, 61–77). Statt politische Polarisierung zu reduzieren, können Streitgespräche sie dadurch also auch verstärken (Boxell et al. 2017; Bail et al. 2018).

Schließlich gibt es stets Parteien, die einen Diskurs für ihre persönlichen oder politischen Ziele nutzen. Ein argumentativer Gedankenaustausch kann leicht mit rhetorischen Strategienabgebrochen oder unterminiert werden, indem die oft ungünstige (unbewusste) Zielsetzung in Diskursen durch die Teilnehmenden, ihre fehleranfälligen Heuristiken und kognitive Verzerrungen, unsere tribalistische Natur, die Eigenheiten der politischen und medialen Kommunikation sowie Informations- und Konformitätskaskaden ausgenutzt werden. Dies wird zunehmend zu einem Problem gerade für Streit in der digitalen Öffentlichkeit.

4 Die Besonderheiten der digitalen Öffentlichkeit

Viele politische Debatten und auch private Streitgespräche werden heute öffentlich oder teilöffentlich in sozialen Medien geführt. Hier schlagen die Gesetze der Aufmerksamkeitsökonomie voll durch, da die meisten sozialen Medien auf ein Geschäftsmodell setzen, das Aufmerksamkeit monetarisiert. Durch diesen Fokus werden emotional aufgeladene Redebeiträge mit hohem Erregungspotenzial strukturell bevorzugt, was die Diskussion in der Tendenz weniger sachlich, relevant und präzise macht. Die Güte der Argumente spielt in den aufmerksamkeitsoptimierten sozialen Medien kaum eine Rolle; dort sollen möglichst viele Menschen möglichst lange interagieren (Pörksen 2019).

Zugleich machen es uns die sozialen Medien extrem leicht, Meinungen wahrzunehmen, die zu unseren Präferenzen passen – bisweilen direkt durch Algorithmen, die gegenläufige Meinungen aktiv für uns herausfiltern. Durch solche digitalen Echokammern verstärken sie den Bestätigungsfehler, Informations- und Konformitätskaskaden und unsere tribalistische Neigungen (Schweiger 2017, S. 113–153). Dann ist es besonders leicht, sich einer sozialen Gruppe zugehörig zu fühlen und gegenüber anderen sozialen Gruppen geschlossen aufzutreten – unabhängig davon, ob man selbst gute Gründe für die eigene Position hat (Haidt 2013). In einer solchen Umgebung spielen epistemische Erwägungen eine untergeordnete Rolle. Es geht nicht darum, Andere zu verstehen, etwas über die Welt oder sich selbst zu lernen, und nicht einmal darum, eine gute Entscheidung zu treffen („post-truth“). Es geht darum, Teil einer sozialen Gruppe zu sein, die sich gegen andere soziale Gruppen – im Zweifel auch mit auf Fake News basierender Hetze – durchsetzt.

Lange wurde die Digitalisierung als Treiber von Partizipation und Demokratie gesehen. Inzwischen ist man jedoch weniger optimistisch. Selbst wenn die sozialen Medien unzählige Möglichkeiten für einen partizipativ-inklusiven Austausch bieten, ist der Ton in vielen digitalen Debatten dramatisch verroht und mit sozialen Sanktionen verbunden. Dies reduziert praktisch die Beteiligung für viele Menschen und könnte zu Schweigespiralen führen (Noelle-Neumann 2001). Dabei hätte der digitale Raum alles, was es für konstruktiven Streit bedürfte; Redebeiträge könnten in Ruhe vorbereitet werden, es gäbe Raum für eine gründliche Analyse der relevanten Gründe, von persönlichen Befindlichkeiten könnte abstrahiert und sich auf die Sache konzentriert werden, und Debatten könnten zielorientiert (manuell oder automatisiert) moderiert werden.

Tatsächlich ist aber oft das genaue Gegenteil der Fall: Debatten im Netz sind in erster Linie aufmerksamkeitsgetrieben und vor allem von Beschleunigung und dem Ausdruck moralischer Emotionen geprägt (Pörksen 2019; Pörksen und Detel 2012). Das liegt zum Teil am Geschäftsmodell der sozialen Medien, aber auch daran, dass Debatten dort von Selbstdarsteller(inne)n und Saboteur(inn)en geprägt werden, die persönliche, kommerzielle oder politische Interessen mit den verschiedensten Mitteln (von Bots bis zum Kauf von Beiträgen mit Fake News, Hetze und Propaganda) verfolgen (Jaster und Lanius 2020; Benkler et al. 2018). Selbst kleine Eingriffe solcher strategischer Akteure können aufgrund der Mechanismen der Debatte zur Durchsetzung falscher und unbegründeter Mehrheitsmeinungen führen (O’Connor und Weatherall 2019). Tatsächlich werden allerdings ganze Kampagnen geführt, nicht nur um falsche Mehrheitsmeinungen herbeizuführen, sondern um die gesamte Debatte und damit die demokratischen Institutionen als solche zu unterminieren (Woolley und Howard 2019; Benkler et al. 2018; Garrett 2017) Daher kommt es gerade in den sozialen Medien ganz wesentlich darauf an, strategisches Handeln zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren – um es im besten Fall zu einem kommunikativem Handeln und damit wieder in einen konstruktiven Streit zu überführen.

Streitgespräche im Netz verlaufen aber auch dann oft unkonstruktiv, wenn keine Selbstdarsteller(innen) und Saboteur(inn)e(n) involviert sind. Auch aufrichtige Personen vergessen in den sozialen Medien immer wieder, dass ihre Gesprächspartner(innen) echte Menschen mit Interessen und Gefühlen sind. Die Distanz zum Gegenüber verringert unsere Fähigkeit der Empathie (Suler 2004). Zugleich antizipieren wir durch die (Teil-)Öffentlichkeit der sozialen Medien ein Publikum, vor dem wir unser Gesicht verlieren könnten und das unser Handeln sozial beurteilt. Eine falsche Äußerung kann zu sozialen Sanktionen innerhalb der eigenen Gruppe führen; eine richtige Äußerung hingegen kann helfen die soziale Stellung innerhalb der eigenen Gruppe zu verbessern. Dadurch fällt es schwerer, Fehler einzugestehen oder in einem Streitgespräch nachzugeben. Die epistemischen Ziele rücken in den Hintergrund, was zu einem Mangel an Relevanz, Sachlichkeit, Präzision und Begründungen in der Diskussion führt.

Bei Debatten im Internet gilt es also in besonderem Maße, sich die Fallstricke sowohl unserer Psychologie als auch der sozialen Medien bewusst zu machen, sie zu vermeiden und aktiv die Vorteile der digitalen Kommunikation zu nutzen. Denn Redebeiträge im Netz können in Ruhe vorbereitet werden, indem wir die Funktionslogik der sozialen Medien bewusst unterlaufen, nicht direkt auf emotional aufgeladene Beiträge reagieren und uns stattdessen Zeit lassen mit unseren Antworten. Dann gibt es Raum für eine gründliche Analyse der relevanten Positionen und Gründe, bevor wir etwas teilen oder kommentieren. Zudem können wir von persönlichen Befindlichkeiten abstrahieren; die Emotionen, die manchmal hochkochen, wieder abkühlen lassen, so dass auch leidenschaftliche Streitgespräche sachlich geführt werden können. Noch wichtiger ist jedoch, dass (digitale wie analoge) Debatten zielorientiert moderiert werden. Die Wahrnehmung und Befolgung von Gesprächsnormen hängt von der jeweiligen Situation ab und ist veränderbar. Im Netz wird immer wieder durch Selbstdarsteller(innen) und Saboteur(inn)e(n) aktiv versucht, Gesprächsnormen zu unterminieren. Dem kann man entgegentreten, indem die Ziele und entsprechenden Normen explizit kommuniziert und Beiträge nachträglich gefiltert werden (Engelmann et al. 2022). Dabei sollte primär auf die oben aufgeführten Kriterien geachtet werden – und weniger auf die konkreten Inhalte der Beiträge. Zudem könnten (mehr oder weniger subtile) Anforderungen für ein Geben von Gründen und Reagieren auf Gründe gestellt werden – etwa durch eine (algorithmische) Strukturierung der Debatte entlang epistemischer Kriterien. Insgesamt bieten die sozialen Medien in jedem Fall eine Unmenge an noch ungenutzten Möglichkeit der Entschleunigung, Zivilisierung und Epistemisierung der Debatte.

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David Lanius
Forscher am DebateLab des KIT
David Lanius ist Gründer und Leiter des Forums für Streitkultur sowie Forscher am DebateLab des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf strategischer Unbestimmtheit in Recht und Politik, Populismus, Fake News und den Möglichkeiten und Grenzen von konstruktivem Diskurs.