Die 10 Gebote des gesunden Menschenverstands

Was macht eigentlich gute Streitkultur aus? Zum einen ist da die emotionale und soziale Intelligenz: Wie gehe ich auf meinen Gesprächspartner als Menschen ein? Beachte ich das Prinzip der wohlwollenden Interpretation? Betrachte ich mein Gegenüber als Gesprächspartner oder als meinen Kontrahenten?

Zum anderen sind da aber natürlich auch inhaltliche und logische Anforderungen; wir wollen gut argumentieren und die Argumente unserer Gesprächspartner angemessen beurteilen. Sind die Argumente meines Gesprächspartners stichhaltig? Sind seine Thesen verständlich, relevant und nachvollziehbar? Wie reagiere ich darauf am besten?

Die 10 Gebote des gesunden Menschenverstands als Regeln für eine gute Diskussion

Nikil Mukerji hat jüngst ein sehr lehrreiches Buch über die zehn Gebote des gesunden Menschenverstands geschrieben. Zwar sind die von ihm aufgezählten Gebote allgemeine Regeln für den Vernunftgebrauch in beruflichen, privaten, politischen, wirtschaftlichen oder wissenschaftlichen Fragen. Doch eignen sie sich auch hervorragend als Regeln für eine gute Diskussion.

Sein Buch “Die 10 Gebote des gesunden Menschenverstands” zeigt auf ausgesprochen nachvollziehbare Weise, worauf man in Streitgesprächen achten sollte. Nikil Mukerji beruft sich dabei auf einige grundlegende Erkenntnisse aus der Sprachphilosophie, Erkenntnistheorie und Psychologie. Im Kern sind die Gebote jedoch selbst Instanzen des gesunden Menschenverstands. Denn wer vernünftig ist,  so seine These, hält sich beim Denken an die 10 Gebote, weil dies die eigene Vernunft gebietet.

Die 10 Gebote lautenDie 10 Gebote des gesunden Menschenverstands

  1. Bringen Sie Ordnung in Ihr Denken
  2. Denken Sie lückenlos
  3. Treffen Sie glaubwürdige Annahmen
  4. Fragen Sie nach der Beweislast
  5. Denken Sie klar und präzise
  6. Bleiben Sie logisch sauber
  7. Tappen Sie nicht in die Sprachfalle
  8. Seien Sie schlauer als ein junger Jagdhund
  9. Schauen Sie mit beiden Augen hin
  10. Lassen Sie sich keinen Bären aufbinden

Was genau sagen wir eigentlich?

Das erste, zweite und fünfte Gebot sind Grundvoraussetzung nicht nur für gute Streitgespräche und eine sinnhafte Debatte, sondern allgemein für vernünftiges Denken und Handeln. Denn nur wer den eigenen Standpunkt präzise und vollständig formulieren kann, kann sinnvoll dafür argumentieren und zielgerichtet danach handeln.

Was dürfen wir annehmen?

Die beiden nächsten Gebote betreffen die Quellen, mit denen wir unsere Annahmen belegen. Auch sie sind essentiell für eine gute Diskussion, da wir ohne Regeln zu dem, was wir als glaubwürdig und beweiskräftig ansehen, keine Grundlage haben, über die Annehmbarkeit der zu diskutierenden Annahmen zu entscheiden. In unserer Zeit der “Fake News” und “alternativen Fakten” sind das Gebote, deren Wichtigkeit kaum zu überschätzen ist.

Was ist ein gutes Argument?

Das sechste Gebot fordert logische Stichhaltigkeit. Etwas, das den meisten Menschen beim Argumentieren schwer fällt und das häufig bei der Beurteilung eines Arguments außer Acht gelassen wird. Wir neigen dazu, uns mit unserer Kritik auf einzelne Annahmen zu stürzen und dabei zu übersehen, dass viele Argumente nicht zeigen, was sie zeigen sollen, selbst wenn wir alle ihnen zugrundeliegenden Annahmen akzeptieren würden.

Das Prinzip der wohlwollenden Interpretation

Das siebte Gebot warnt uns davor, in die Sprachfalle zu tappen. Seine Missachtung ist vermutlich Ursache vieler missglückter Streitgespräche. Denn wir neigen dazu, die Äußerungen unserer Gesprächspartner auf Grundlage unserer Sichtweise zu interpretieren, und vergessen dabei häufig, wie mehrdeutig und unterbestimmt Sprache in der Regel ist. Ein wichtiges Prinzip, solche Missgeschicke zu vermeiden, ist das Prinzip der wohlwollenden Interpretation. Es besagt, seinem Gesprächspartner (nach Möglichkeit jederzeit) zu unterstellen, dass er sinnvolle und gut gemeinte Beiträge zur Diskussion stellt.

Strohmann-Argumente

Das achte Gebot hilft zwischen relevanten und irrelevanten Gesprächsbeiträgen zu unterscheiden. Insbesondere sollten wir in Streitgesprächen auf (beabsichtigte oder unbeabsichtigte) Strohmann-Argumente achten. Strohmann-Argumente sind kardinale Verletzungen des Prinzips der wohlwollenden Interpretation. Strohmann-Argumente sind Argumente, die den Standpunkt des Gegenübers vereinfacht, überspitzt oder schlicht falsch darstellen, um sie anschließend (in der Regel) leichter widerlegen zu können.

Bestätigungsfehler

Das neunte Gebot warnt uns vor kognitiven Verzerrungen (cognitive biases) und logischen Fehlschlüssen. Die wichtigste Art kognitiver Verzerrungen, denen unser Denken unterliegen kann, ist der Bestätigungsfehler (confirmation bias): wir tendieren im Allgemeinen dazu, nach Informationen zu suchen, Informationen dahingehend zu interpretieren und uns an Informationen zu erinnern, die unsere vorhandenen Überzeugungen und Hypothesen bestätigen (und lassen andere möglicherweise relevantere Informationen außer Acht).

Was macht gute Streitkultur aus?

Das zehnte Gebot zeigt auf, wie wir Standpunkte, mit denen wir konfrontiert werden, kritisch prüfen und ungerechtfertigte Behauptungen erkennen können. Wie genau, das kann man in Nikil Mukerjis wunderbaren Buch „Die 10 Gebote des gesunden Menschenverstands“ nachlesen. Erwerbbar bei bücher.de oder direkt über die Website gesundermenschenverstand.online.

Zusammengenommen sind die „10 Gebote des gesunden Menschenverstands“ eine ausgezeichnete Vorbereitung und Grundlage für konstruktive Streitgespräche und eine gute Streitkultur!

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David Lanius
Forscher am DebateLab des KIT
David Lanius ist Gründer und Leiter des Forums für Streitkultur sowie Forscher am DebateLab des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf strategischer Unbestimmtheit in Recht und Politik, Populismus, Fake News und den Möglichkeiten und Grenzen von konstruktivem Diskurs.